Veranstaltung:
Vortrag von Dieter Borchmeyer und Amadeus Wiesensee mit Klavierbegleitung
„Beethoven. Zur Resonanzgeschichte eines Klassikers jenseits der Klassizität“
Künstlerhaus am Lenbachplatz
Samstag 19.11.2022 - 15:00 h
Das Werk Beethovens gilt als Krönung der Stilrichtung der Wiener Klassik. Zu seinen Lebzeiten wäre jedoch kaum jemand
auf die Idee gekommen, ihn als Klassiker zu definieren, und die Bezeichnung der Trias Haydn, Mozart und Beethoven als
Wiener Klassik ist eine Parallelbildung zur Weimarer Klassik Goethes und Schillers. Für E.T.A. Hoffmann war Beethoven
noch der Inbegriff des „romantischen“ Komponisten. Und in der Tat, in den Stilkosmos der Klassik will das Werk Beethovens
sich nicht einfügen, ,Klassizität‘ strahlt es nicht aus. Die Geschichte der romantischen Musik war ohne dieses Werk nicht
denkbar. Das soll am Beispiel Schumanns (Exercises. Etüden in Form freier Variationen über ein Beethoven'sches Thema)
und Wagners demonstriert werden, der schon als Achtzehnjähriger einen Klavierauszug der Neunten Symphonie angefertigt hat
und Beethovens musikalische Formenwelt in seinem großen Essay von 1870 jenseits aller Klassizität beschreibt. Eine andere
Linie der musikalischen Resonanzgeschichte Beethovens stellt die Erhebung des „Lieds an die Freude“ aus dem Schlußsatz der
Neunten Symphonie zur Europahymne dar.
Eines der eindrucksvollsten Beispiele der musikalischen Resonanzgeschichte Beethovens
ist reine Literatur geblieben: die Beethoven-Vorträge von Wendell Kretzschmar in Thomas Manns Doktor Faustus und deren
Höhepunkt: die Beschreibung der Klaviersonate op. 111, die zum Abschluß des Doppelvortrags von
Dieter Borchmeyer und
Amadeus Wiesensee erklingen soll.